Der Wettlauf um Nachhaltigkeit

Biobaumwolle versus Recycled Polyester – welches Material ist nachhaltiger?

In zahlreichen Expertenrunden setzt man sich derzeit intensiv mit den Themen der Nachhaltigkeit im Textil- und Bekleidungssektor auseinander. Viele unterschiedliche Aspekte und Sichtweisen werden intensiv diskutiert. Die meisten Experten verbringen viel Zeit mit der Aufbereitung und Aufarbeitung der Themen. Sie verfolgen alle das gleiche Ziel: Einen Weg zu finden, den nachweislich negativen Fußabdruck, den die Textil- und Bekleidungsindustrie weltweit hinterlässt, in eine positive Richtung zu führen.

Bei den meisten Themen sind sich alle einig: So steht außer Zweifel, dass das große Ziel eine lückenlose Kreislaufwirtschaft sein muss. Es gibt auch keine Diskussion darüber, ob Überproduktionen vermieden werden sollen oder ob es sinnvoll ist, die Transportwege in der Produktion zu minimieren. Auch die Vermeidung von Abfällen in allen Stufen der Produktion und Nutzung von Bekleidungsprodukten ist für alle ein sinnvolles Ziel. Selbstverständlich sind sich auch alle Experten einig, dass in allen Fertigungsländern faire Fertigungslöhne zu bezahlen wären.

In der Frage der sinnvollsten Materialauswahl herrscht Uneinigkeit

Das Spannende dabei ist: Die Denkansätze zur Materialverwendung könnten unterschiedlicher nicht sein.

Es gibt diejenigen, die auf „Naturmaterialien“ setzen. Bio – Baumwolle, Hanf und Merinowolle vom glücklichen Schaf sind da die vielzitierten Favoriten. Die Argumentation der Anhänger der Bio- und Naturidee: Alles, was nicht natürlich ist, sollte vermieden werden. Der große Feind dieser Gruppe ist jede Form der Kunstfaser. Das Hauptargument gegen Kunstfaser ist die Verwendung von Rohöl als Ursprungsmaterial und die Problematik um das Thema Mikroplastik.

Und dann gibt es die Gruppe derer, die die Meinung vertreten, dass der Natur für die Erzeugung von Bekleidungsteilen keinerlei Ressourcen entzogen werden dürfen. Sie argumentieren: Textile Erzeugung darf nie im Wettbewerb mit landwirtschaftlicher Erzeugung von Lebensmitteln stehen. Die logische Folge: Kunststoffe aus bereits bestehenden Beständen sind die Lösung für eine nachhaltige Entwicklung der Industrie. Zudem ist auch die Realisierung eines funktionierenden Kreislaufes über den Weg der technischen Kreislaufentwicklung schneller und leichter umzusetzen als der des biologischen Kreislaufs. Produkte aus recycelten Kunststoffen, wie Fischernetzen oder PET-Flaschen sind die Favoriten dieser Gruppe.

Welche Denkrichtung ist richtig?

Aus meiner Sicht ist diese Frage mit dem heute verfügbaren Wissen nicht mit richtig oder falsch zu beantworten. Wichtig ist die Weiterentwicklung der nachhaltigen Herstellung in ausnahmslos allen Bereichen. Es gilt die Missstände in jedem Bereich zu bekämpfen. Damit meine ich die Ausbeutung von landwirtschaftlichen Flächen durch Monokulturen, den enormen Wasserverbrauch und den Pestizideinsatz genauso wie den sorglosen Umgang mit allen Herausforderungen rund um das Thema Rohöl und Mikroplastik.

Und wie in so vielen anderen Lebensbereichen gilt es auch bei dieser Thematik, die Argumente der anderen zu hören und am besten gemeinsam an den besten Lösungen zu arbeiten.

Technologieentwicklung und das Beste aus zwei Welten. Der Ausblick in die Zukunft

Mein Vertrauen liegt in Technologieentwicklung. Schon heute bestechen innovative Materialien, die die Vorteile beider Denkrichtungen in sich vereinen. Ein Beispiel: Biobasiertes Polyamid, aus der Rizinuspflanze gewonnen, die auf kargen Böden wächst und somit nicht im Wettbewerb zum Lebensmittelanbau steht. Das Endprodukt überzeugt durch Langlebigkeit und außergewöhnlichen Tragekomfort. Ich gehe davon aus, dass es in nächster Zukunft noch viele weitere positive Entwicklungen in diese oder ähnliche Richtungen geben wird und dass diese Entwicklungen zu tragbaren Lösungen führen werden.

An dieser Stelle wird es aber auch erforderlich sein, dass auch der Konsument Verantwortung übernimmt. Neuentwicklungen kosten in der Relation viel mehr als herkömmliche Herstellungsprozesse. Neue innovative Materialien haben ihren Preis. 

Fokus auf Forschung und Entwicklung

Wenn die Bekleidungsindustrie weiterhin als „schwieriges“ Thema angesehen wird und nicht als ein reizvolles Forschungsfeld für bahnbrechende Entwicklungen, dann wir die laufende Diskussion mitunter anhalten. Der Bereich F&E hat eine Schlüsselfunktion zur Lösung der Herausforderungen.  Es geht um Weiterentwicklung in unterschiedlichen Bereichen, von der Faser bis zur Optimierung von Herstellungsprozessen über alle Fertigungsstufen hinweg. Fokus auf Forschung und Entwicklung und eine offene Kommunikation zwischen allen Stakeholdern in der Branche wird Lösungen hervorbringen. Damit wird eine positive Zukunft der heute so problematischen Textil- und Bekleidungsbranche möglich. 

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Technologieentwicklung, ein Stiefkind der Textilbranche