Eine beispielgebende Kampagne oder doch nur Greenwashing auf höchstem Niveau?

Ellen MacArthur war eine der jüngsten Weltumseglerinnen in einem Einhandsegelboot. Sie war in dieser Klasse auch Rekordhalterin für die schnellste Weltumsegelung. Während ihrer Reise hat sie beobachtet, dass alles, was sie in das Boot gibt, in derselben umweltverträglichen Form wieder entladen werden sollte. Oder in anderen Worten, alles, was von der Natur ins Boot kommt, sollte in unveränderter oder problemlos regenerierbarer Form auch wieder an die Natur abgegeben werden. So entstand die Idee der nach ihr benannten Foundation, die sich seither für die Entwicklung von Kreislaufstrategien weltweit starkmacht.

Die Ellen Mac Arthur Foundation

Wenn die Ellen MacArthur Foundation etwas in die Hand nimmt, dann hat das Gewicht gefühlt 80 % oder eher 90 % sämtlicher statistischen Aussagen über die Umwelteinflüsse und -verfehlungen unserer Industrie stammen aus Fachpublikationen der Ellen MacArthur Foundation. Auch die Europäische Union bedient sich bei der Begründung Ihrer Vorschläge zur Umsetzung von Kreislaufwirtschaft in unserer Industrie der von Ellen MacArthur erhobenen Zahlen. Das war schon im Mai 2019 der Fall, als erstmals ein EU Eco Forum zum Thema Textil- und Bekleidung abgehalten wurde. Fast jede/r Vortragende hat damals eine Zahl aus einer Statistik der Ellen Mac Arthur Foundation verwendet. Das ist auch heute bei den meisten Vorträgen zum Thema Nachhaltigkeit in der Bekleidungsindustrie noch so.

Wenn also Ellen Mac Arthur mit einer Kampagne aktiv wird und diese weltweit (oder zumindest europaweit) medial verbreitet, dann sollte man sich das etwas genauer ansehen. Es ist ernst zu nehmen, denn der Wille zur Verbesserung unserer Industrie ist der Ellen MacArthur Foundation nicht abzusprechen.

Die Jeans Redesign Kampagne

Etwas stutzig wurde ich allerdings zuletzt, als eben diese Ellen MacArthur Foundation eine Circularity Kampagne zum Thema „Fair Jeans“ propagiert hat - die „Jeans Redesign Kampagne“. Denn einer der wichtigsten und in der Kampagne sehr prominent zitierten Partner ist der britische (Ultra) Fast-Fashion Gigant Primark. Und immer wenn Bekleidungsgiganten wie Primark, deren Geschäftsmodell auf Überkonsum, schnellen Verbrauch und extrem billigen Preisen basiert, von Nachhaltigkeit sprechen, dann ist allerhöchste Vorsicht geboten.

Dabei ist mir selbstverständlich bewusst, dass eine Transformation unserer Industrie hin zu einer nachhaltigen und sauberen Bekleidungsindustrie nur dann wirklich gelingen kann, wenn auch die größten Textil- und Bekleidungsgiganten dieser Welt ihr Verhalten maßgeblich verändern.

Was bedeutet das im Detail?

Um mir über die tatsächlichen Inhalte der Kampagne ein Bild zu machen, habe ich mich mit den „Jeans Redesign Guidelines“ der Kampagne befasst.  Was dabei auffällt, ist, dass die Themenfelder nur sehr oberflächlich behandelt werden. Hier einige Beispiele: Es wird angeführt, dass 80 % der Teilnehmer an der Kampagne in der Lage waren, Bio-Baumwolle zu beschaffen. Es gibt allerdings keine Angabe darüber, in welchem Ausmaß diese Bio-Baumwolle auch tatsächlich verwendet wurde. Ein Blick in die Unternehmenskommunikation des Primark Konzernes zu diesem Thema macht die Vorgehensweise deutlich. Primark kommuniziert, dass Baumwolle entweder bei zertifizierten nachhaltigen Quellen beschaffen wird oder aber nach dem konzerneigenen „Sustainable Cotton Standard“ produziert wird. Dieser firmeninterne Standard von Primark gibt Schulungen von Kleinbauern/bäuerinnen vor, die darauf abzielen, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren und den Wasserverbrauch einzuschränken. Grundsätzlich eine gute Sache, aber doch weit entfernt vom Ziel, Bio-Baumwolle einzusetzen.

Ein weiteres Versprechen betrifft die Tragedauer der Bekleidung. In der Kampagnenkommunikation wird angeführt, dass die nach den „Jeans Redesign Guidelines“ gefertigten Jeans für 30 Waschvorgänge in Haushaltsmaschinen geeignet sein müssen. Aus meiner Sicht wird genau hier das Problem ersichtlich. Mit Sicherheit ist die Einführung von Waschtests in der Produktspezifikation bei Primark ein großer Schritt. Auf keinen Fall aber können 30 Haushaltswäschen als Standard einer nachhaltigen Entwicklung in der Textil- und Bekleidungsbranche genügen. Eine Jeans sollte Jahre oder Jahrzehnte halten und nicht nur 30 Wäschen schadlos überstehen.

In den Richtlinien der Kampagne wird weiterhin darauf hingewiesen, dass 84 % der teilnehmenden Marken, ihre KundInnen über die Zusammensetzung der Bekleidung in Pflegeetiketten informieren. Aus diesen Informationen wird auch deutlich, auf welch niedrigem Niveau sich diese Richtlinien bewegen, wenn das Vorhandensein von „carelabels“ als Errungenschaft der Kampagne erwähnt wird. Hier wird zudem ersichtlich, wie weit der Großteil der Marktteilnehmer unserer Industrie heute noch von den Anforderungen eines „digitalen Produktpasses“ entfernt ist.

Was ich daraus schließe

Es mag zwar zutreffen, dass die Ergebnisse aus der Teilnahme an dieser von der Ellen MacArthur Foundation initiierten Kampagne für Unternehmen wie Primark einen bedeutenden Schritt darstellen. Ich teile auch die Überzeugung, dass die engagierten MitarbeiterInnen ein aufrichtiges Interesse daran haben, die langfristigen Bedingungen in der Industrie zu verbessern. Trotzdem bin ich der Ansicht, dass dies nicht ausreichend ist, und ehrlich gesagt bin ich etwas enttäuscht, dass die Ellen MacArthur Foundation, die für mich bis heute eine der wichtigsten Triebkräfte für eine nachhaltige Transformation unserer Branche ist, Kampagnen auf diesem Niveau durchführt und somit Unternehmen, die Teil des Kernproblems unserer Branche sind, eine Plattform bietet.

Denn das grundlegende Problem unserer Branche ist nach wie vor der Überkonsum und keiner der in der Kampagne zitierten Aktivitäten lässt darauf schließen, dass die teilnehmenden Unternehmen aufrichtige Absichten haben, den Konsum einzudämmen oder zu reduzieren. Genau hier liegt die Herausforderung. Solange diese Industriegiganten weiterhin auf einem Geschäftsmodell des Überflusses und des schnellen Konsums von billigen Bekleidungsteilen basieren und dabei hohe Gewinne erzielen, ist Vorsicht geboten, wenn sich gerade diese Unternehmen als "grün" präsentieren wollen. Nachhaltigkeit kann zwar nur dann Realität werden, wenn sie erschwinglich wird und von einer Idee, die oft als abgehoben und wirtschaftlich nicht realisierbar wahrgenommen wird, zu einer umfassenden Idee für die gesamte Branche wird. Eine nachhaltige Entwicklung im Wortsinn werden wir aber nur erreichen, wenn wir die Kernprobleme der Branche tatsächlich lösen.

Es ist auch nicht ersichtlich, welche konkreten und ernsthaften Maßnahmen unternommen werden, um einen nachhaltigen Kreislauf in der Textil- und Bekleidungsbranche zeitnah zu verwirklichen.

Die Frage bleibt also bestehen: Handelt es sich um eine beispiellose Kampagne oder um Greenwashing?

 


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