Kreislaufwirtschaft – Effizient starten!

Die Kreislaufwirtschaft hat den textilen Sektor voll erfasst, zumindest wenn man vielen Publikationen in Fachmedien glaubt, ist die Transformation von einer linearen Beschaffung zu einer textilen Kreislaufwirtschaft voll im Gange. Alle sprechen vom textilen Kreislauf, von Recycling, Ressourcenschonung und mehr. In einem meiner Blogbeiträge „Closing the loop“, den ich hier im Frühjahr 2023 veröffentlicht habe, habe ich die wesentlichen Merkmale der textilen Kreislaufwirtschaft vorgestellt. Textile Kreislaufwirtschaft wird als heilbringende Formel im Kampf um eine sauberere Zukunft der Textil- und Bekleidungsindustrie gehandelt.

Warum macht das Sinn?

Es geht vor allem um das Thema Ressourcenschonung. Ein Begriff, der in der aktuellen Situation der weltweiten Textil- und Bekleidungsbranche keine Rolle spielt. Im derzeitigen linearen Beschaffungssystem werden Ressourcen schonungslos verbraucht, jährlich erreichen die Überproduktionsmengen unfassbare 40 %. Ein viel zu hoher Teil der weltweiten Produktion textile Produkte landet so auf Mülldeponien, oder wenn es gut geht in geordneter thermischer Verwertung.

Ein funktionierender textiler Kreislauf hält die eingesetzten Ressourcen lange in Gebrauch, sodass von effizientem Ressourceneinsatz gesprochen werden kann.

Wie viel passiert schon im Kreislauf?

Diese Frage lässt sich sehr einfach und schnell beantworten. Bis heute sind es eher „homöopathische Mengen“, die tatsächlich erfolgreich im textilen Kreislauf geführt werden. Verschiedenen Veröffentlichungen sind sich aktuell einig, dass die Kreislaufquote derzeit bei max. 1 % der gesamten Herstellungsmenge liegt. Warum die Menge immer noch so gering ist, das hängt mit den vielfältigen Herausforderungen zusammen, die sich aktuell ergeben. Diese Herausforderungen beginnen bei den textilen Sammelsystemen, die bis heute nicht in ausreichender Form etabliert sind. Erst 2025 wird in der Abfallwirtschaft eine getrennte Sammlung textiler Wertstoffe europaweit verpflichtend. Dann kommen die Herausforderungen des Sortierens, ein Vorgang, der heute noch vorwiegend händisch durchgeführt wird. Hier stellt sich die Frage der Produktidentifikation und der Zuordnung nach Fraktionen. Also einerseits die Feststellung, um welches textile Produkt handelt es sich, und wie kann dieses Produkt optimal im Kreislauf weiterverwendet werden. Ist es also zum Beispiel noch reparabel und kann dann in einem weiteren Lebenszyklus noch einmal verwendet werden, kann es „downgecycelt“ werden, oder stellt es eine optimale Basis für eine nachfolgende Rückführung in den Urzustand „Faser“, „Pulp“ oder „Chip“ dar. Die Verunreinigung mit Chemikalien, Farbstoffen oder einfach Umwelteinflüssen stellt eine weitere Herausforderung in der Kreislaufwirtschaft dar. Gefolgt von vielen offenen technologischen Fragen, die vor allem damit zu tun haben, dass der größte Teil aller textilen Produkte Mischprodukte sind, also am Beispiel von Arbeitsbekleidung, eine Mischung von Baumwolle und Polyester sind. Nicht zuletzt sind es aber vor allem die derzeit fehlenden industriellen Anlagen und die immer noch viel zu hohen Kosten, die den Durchbruch des textilen Kreislaufs derzeit noch verhindern.

Ist also alles nur eine große Illusion?

Skeptikern sei gesagt: Kreislaufwirtschaft macht auch im textilen Bereich trotz aller derzeit noch zu überwindenden Schwierigkeiten aus Sicht der Ressourcenverwendung, der Emissionsvermeidung und des Energieeinsatzes absolut Sinn. Es gilt wie angedacht, einmal aufgewendete Ressourcen so lange wie möglich zu nutzen. Und die allergrößte Herausforderung sind aktuell weder technischer noch finanzieller Natur. Die größte Herausforderung liegt im Unwissen, in der Skepsis, im Scheuklappendenken oder im Tunnelblick möglicher Stakeholder. Es fehlt nicht nur an Umsicht, es fehlt auch gänzlich an einer Vision. Das ist zwar verständlich, wenn man die großen Hürden, die es noch zu überwinden gibt, erkennt. Es ist aber nicht verständlich, wenn man realisiert, welche enormen Einsparungspotenziale das System in der Zukunft mit sich bringt.

Fehlende Zusammenarbeit

Selbst bei Expertengesprächen und Fachkonferenzen ist immer wiederzuerkennen, dass die meisten Experten viel Wissen in Ihrem speziellen Fachgebiet haben, aber weder die Herausforderungen noch die Errungenschaften anderer am textilen Kreislauf Beteiligter kennen.

Eine erfolgreiche Umsetzung einer textilen Kreislaufwirtschaft wird aber die Zusammenarbeit aller beteiligten Stakeholder notwendig machen. Viel mehr als in der aktuellen linearen Beschaffungswelt wird der Blick über den Tellerrand erforderlich sein – gemeint ist ein umfassender Austausch über mehrere Fertigungsstufen vor und nach der eigenen Fertigungsstufe hinweg. Der Aufbau von Wissensdatenbanken, Kommunikationsnetzwerken und vieler starker Partnerschaften wird erforderlich sein.

Verantwortung der Gesetzgeber

Außer Zweifel ist allerdings auch, dass Gesetzgeber angesichts der massiven Probleme, die das aktuelle System verursacht, regulierend eingreifen wird – etwa durch eine verbindliche Einführung eines Minimalanteils an echtem textilen Rezyklat bei der Einfuhr oder in Verkehr Bringung von neuer Bekleidung. Schon jetzt ist das Verbot der Vernichtung von Bekleidung im Gespräch, ein erster Schritt, der die Industrie zum Handeln zwingt.

Herausforderungen stehen vor den großen Unternehmen, für sie werden gesetzliche Vorgaben auf jeden Fall bindend.  Kleine Unternehmen sind in der Regel vom strengen Regelwerk der EU ausgenommen und sind diesbezüglich nicht so stark unter Druck – in vielen Fällen verhalten sie sich allerdings immer schon verantwortungsvoller. Beim textilen Kreislauf ist das allerdings nicht so einfach, weil ein Funktionieren des textilen Kreislaufs nach heutigem Technologiestand noch sehr stark mengenabhängig ist. Jedenfalls wird tatsächliches Handeln im Sinne des textilen Kreislaufes zukünftig erforderlich und wird die bisherigen Praktiken der mehr oder weniger wahrheitsgetreuen Nachhaltigkeitsdokumentation restlos ablösen.

Herausforderungen stehen aber auch vor vielen textilen Lieferanten, die sich gerade darauf vorbereiten, von China und anderen asiatischen Ländern aus den europäischen Markt zu erobern. Sie sollten gut vorbereitet sein und ihre Hausaufgaben nachweislich gemacht haben, die EU wird diesbezüglich zweifelsohne starke Einfuhrregeln etablieren.

Eine besondere Rolle steht den Beschaffern im staatsnahen Umfeld bevor. Dem „Green Public Procurement“ kommt eine verantwortungsvolle Rolle zu. Wenn der Gesetzgeber den Kreislauf forciert und entsprechende gesetzliche Regularien einführt, dann muss er auch innerhalb des eigenen Wirkungsfeldes dafür sorgen, dass er sich eben diesen Regularien auch selbst verpflichtet. Öffentliche Beschaffung wird gänzlich neu zu etablieren sein.

Was können wir heute tun?

Immer mehr Unternehmen verstehen die Chancen hinter dem System. Als Berater begleiten wir unsere Kunden aus der Industrie, aber auch in der öffentlichen Beschaffung in der Transformation vom linearen zum zirkulären System. Wir unterstützen dabei, die nächsten erforderlichen Schritte erfolgreich umzusetzen, Partnerschaften zu bilden, Produkte und Prozesse zu entwickeln, die dem zukünftigen System gerecht werden. So helfen wir unseren Kunden, Teil des Systems zu werden, das die textile Welt zu einer besseren macht und sie so ein Stück sauberer werden lässt.

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