Stop Overproduction

Beim Zukunftsfestival Fifiteenseconds 2023 in Graz durfte ich vor einem Monat gemeinsam mit den Nachhaltigkeitsexpertinnen Christiane Dolva Tornberg (H&M Foundation), Helga Holes (ex Zalando) und Ruth Andrade (Lush – Cosmetics) in einer Podiumsdiskussion über das Thema „Is There Such Thing as a Sustainable Textile Industry?“ diskutieren. In einem Punkt waren wir uns absolut einig: Nämlich bei der Frage, welche Maßnahme die allerwichtigste wäre, um einen raschen und schnellen Impact hin zu einer besseren und sauberen Textil- und Bekleidungsindustrie zu gewährleisten:
Stop overproduction! 

Müll durch Textilien. ®Francois Le Nguyen

Woher kommt das Phänomen „Überproduktion“  

Bis zu Beginn des 20 Jahrhunderts wurde Bekleidung aufgrund eines akuten Bedarfs hergestellt. Vereinfacht war das so: Wenn man ein Bekleidungsstück gebraucht hat und kein solches über innerfamiliäre Weitergabe verfügbar war, so musste ein entsprechendes Bekleidungsstück vom Schneider angefertigt werden. In den 1930 Jahren kam, nachdem sich die Herstellung von Textilien schon auf grundsätzlich geändert hatte, der Pariser Standard „Prêt-à-porter“ auf, was so viel heißt wie: bereit zum Tragen. Jetzt wurde Bekleidung nicht mehr maßgeschneidert, sondern in Standardgrößen vorgefertigt – Kleidungsstücke hingen nun bereits fertig im Laden. Der am Ende desselben Jahrhunderts einsetzende Fast Fashion Trend hat dann dazu geführt, dass es heute massive Überproduktion gibt.  

Welche Auswirkungen hat das? 

Es werden heute gerade einmal 60% der gefertigten Bekleidungsteile verkauft, oder umgekehrt betrachtet: 40% der gefertigten Bekleidungsstücke werden nie verkauft. Der Bestand an Bekleidungsstücken auf diesem Planeten ist so hoch, dass 6 weitere Generationen genug Bekleidung hätten, ohne dass nur ein einziges neues Bekleidungsstück produziert werden müsste. Man stelle sich die Summe der Ressourcen vor, die wir also einsparen können, wenn Bekleidung effizienter genutzt wird. Eine unfassbare Menge an Bekleidung wird heute einfach für den Müll produziert und stellt damit ein weiteres derzeit unlösbares Problem dar. Wohin mit all den Bekleidungsstücken, die nicht mehr gebraucht und nicht mehr verwendet werden. Die Müllberge in Endempfängerländern in Afrika, Asien und Südamerika werden immer höher, die damit in Verbindung stehende Vergiftung der Umwelt wird jeden Tag gefährlicher. 

Wie kann man das lösen – vor allem: wer kann es lösen? 

Darauf gibt es keine einfache Antwort, aber lösbar muss auch diese Herausforderung sein. Einige Denkansätze von meiner Seite:  

Eine Rücknahmeverpflichtung durch die Erzeuger (Inverkehrbringer) verbunden mit einem gleichzeitigen Exportverbot von Altbekleidung. In der EU werden solche Maßnahmen diskutiert und angeregt. Man stelle sich vor, vor welchen Herausforderungen ein Fast Fashion Gigant steht, wenn er alles, was er erzeugt und nicht verkauft auch wirklich behalten muss und darüber hinaus auch die Bekleidung, die er von Kunden zurückbekommt, wieder sinnvoll verwerten muss. Was derzeit noch als völlig absurd abgetan wird, könnte Realität werden. Eine komplette Neuordnung der Wertschöpfungskette müsste entstehen. 

Ein Verbot des Inverkehrbringens neuer Bekleidung, wenn sie nicht zu einem bestimmten Prozentsatz aus recycelten Vorprodukten hergestellt wird. So könnte zum Beispiel jeder Hersteller verpflichtet werden, seine Produkte zu mindestens 30% aus Fasern zu fertigen, die als „Rezyklat“ schon einmal ein Bekleidungsteil waren. Die Technologieentwicklung in Sachen Recycling würde rasant an Fahrt aufnehmen und viele Forschungsprojekte, die heute noch in der Schublade liegen, würden rasch Finanzierungen finden. 

Das Konzept „production on demand“ wäre ein weiterer Lösungsansatz. Bekleidung sollte nach diesem Konzept – wie schon in früheren Zeiten – erst dann gefertigt werden, wenn es benötigt wird, also tatsächlich bestellt wurde. Das ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn die Produktionen auch in unmittelbarer Nähe zu den Verbrauchermärkten stattfinden würden.  

Eigenverantwortliche Konsumenten könnten von sich aus auf den Kauf von Fast Fashion gänzlich verzichten und damit der derzeit herrschenden Dynamik einen Riegel vorschieben. Durch den Erwerb hochwertiger, langlebiger Bekleidungsstücke, die sorgsam ausgewählt werden und dann für einen wirklich langen Zeitraum im Gebrauch bleiben, wäre ein Teil des Problems schon behoben.  

Was tun wir bei unserer Brand BREDDY’S, um dieses Problem zu lösen? 

Das Konzept von BREDDY’S ist einfach und doch effizient und geht im Grunde auf alle oben erwähnte Ideen ein. Wir fertigen in kleinen Chargen, um Überproduktion zu vermeiden. Da kann es zwar schon einmal vorkommen, dass bestimmte Topseller ausverkauft sind. Das nehmen wir aber lieber in Kauf und sorgen gleichzeitig dafür, dass wir nicht Teil des Problems der Überproduktion werden.  Zudem beschäftigen wir uns intensiv mit der Weiterentwicklung der „Produktion der Zukunft“, also der Serienfertigung mit der Serienstückzahl 1.  

Unsere Pants sind für einen langen Gebrauch konzipiert, und werden auch nach dem Gebrauch einer Weiterverwendung zugeführt. Mit dem BREDDY’S PRELOVED Programm wird jedem Bekleidungsstück ein second oder auch third life ermöglicht.  

Unsere innovativen Materialien sind zum Teil schon jetzt aus recyceltem Müll, der aus Ozeanen gefischt wird. Darüber hinaus beschäftigen wir uns schon heute mit der Entwicklung der Materialien, die für ein zukünftiges voll-stufiges technisches Recycling geeignet sind.  

Was also ist zu tun? 

Aus meiner Sicht werden die großen Hersteller, die ja auch Hauptverursacher des Problems sind, ihr Vorgehen nicht verändern, wenn sie dazu nicht über staatlichen Druck gezwungen werden. Nichts lässt darauf schließen, dass die Textil- und Bekleidungsriesen ihr Verhalten tatsächlich ändern wollen, nur weil Themen wir Klimakrise und CO2-Emmissionen eine Nachhaltigkeitsdiskussion entfachen. Da werden gesetzliche Regelungen erforderlich sein. Die Rolle von uns kleinen Herstellern kann dabei eine Vorzeigerolle sein, die als benchmark dann der gesamten Industrie zur Verfügung steht. Bleibt nur zu hoffen, dass wir kleinen diese Rolle auch weiterhin erfolgreich erfüllen können und in den Mühlen der derzeitigen Krisen zermahlen werden. 

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Alles nur Spinnerei? Kapitalismus und die SDG’s

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