Alles nur Spinnerei? Kapitalismus und die SDG’s

Vor zwei Wochen hatte ich einmal mehr die Möglichkeit, in einer Keynote über meine Ideen und meine Arbeit für eine positive Zukunftsentwicklung der weltweiten Modeindustrie zu sprechen. Bevor ich über Lösungswege gesprochen haben, habe ich die aktuelle Struktur und Organisationsform der Industrie beschrieben. Ich habe dargestellt, welche Entwicklung die Branche in den letzten 40 Jahren genommen hat und welche verheerenden Auswirkungen diese Entwicklung vor allem auf die Menschen und die Umwelt in den meist unterentwickelten Ländern hat, in denen der größte Teil der weltweiten textilen Fertigung stattfindet. Ich habe dabei auch die „Rana Plaza Katastrophe“ des Jahres 2013, in der über 1.300 Menschen in einer Fertigungsstätte in Bangladesch ihr Leben verloren haben, erwähnt. Diese Katastrophe hat dazu geführt, dass auf der ganzen Welt über die Arbeits- und Lebensumstände von Menschen, die in Billigstlohnländern Bekleidung für den Weltmarkt produzieren, berichtet wurde. In meinen Vorträgen spreche ich diese Arbeits- und Lebensumstände sehr kritisch an und berichte auch darüber, dass sich die Lebensumstände für die Menschen in den Herstellungsbetrieben nachweislich in den letzten 10 Jahren kaum verbessert haben. Wenige der vor 10 Jahren getätigten Zusagen der großen Industriebetriebe der Branche sind umgesetzt worden. Das Bild der Industrie hat sich nicht geändert. Ganz im Gegenteil, die COVID-19 Pandemie hat die ärmsten Länder, und damit auch die Herstellungsländer der Modeindustrie am härtesten getroffen. 

Mein Team und ich, wir wollen kein Teil dieses Systems sein. Wir wollen unser Wissen und unser Können als Brancheninsider nutzen, um einen Beitrag zu leisten, die Branche ein Stück weit sauberer zu machen. Das ist unser Antrieb und unsere Motivation, um in der Beratung und in der Umsetzung der eigenen Marke BREDDY’S die richtigen Schritte zu tun. Wir können die Welt nur verbessern, wenn jeder von uns seinen – wenn auch kleinen – Beitrag leistet. 

Am Ende meines Vortrags gab es auch diesmal die Möglichkeit zur Rückfrage und zur Diskussion.  

Einer der Zuhörer hat zuerst meine Ideen und mein Wirken als „redlich und rechtschaffen“ gelobt. In Folge hat er allerdings festgehalten: So funktioniert Kapitalismus seit vielen hundert Jahren. In diesem Wirtschaftssystem geht es darum, Geld zu verdienen. Darum versucht man die Fertigungskosten so gering wie möglich zu halten. Zudem sind die Arbeitsplätze in den Billiglohnländern sehr gefragt. Wenn eine Fabrik in Bangladesch eine offene Stelle meldet, dann gibt es in der Regel rund 200 Bewerber für nur einen Arbeitsplatz. Also könne es nicht so schlecht sein, in diesen Ländern Arbeit zu schaffen. Es sei des Weiteren nicht schlecht, wenn man bei Kik einen Hochzeitsanzug um € 29,- kaufen kann. Das können sich auch Menschen leisten, die weniger haben. 

Ich mag Rückmeldungen wie diese. Sie sind wertvoll. Auch wenn diese Rückmeldungen im ersten Moment nicht angenehm erscheinen und meine Ideale nicht unterstützen. Sie geben mir die Möglichkeit, meine eigene Haltung zu überprüfen. Liege ich mit meiner Meinung völlig falsch? Ist meine Beurteilung der Situation etwa zu sozial-romantisch, bin ich ein Träumer, und die Dinge liegen in Wirklichkeit ganz anders, sind so gewollt, und es ist gut so? Die Rückmeldung kam von einem sehr gebildeten Menschen.  

Meine kurze Antwort habe ich dennoch sofort gegeben: Ich halte ein System für falsch, das auf Ausbeutung derer aufgebaut ist, die in Not und Elend leben und keine andere Wahl haben. Das auszunützen lindert nicht die Not und verbessert nicht den sozialen Status im Land. Die Industriearbeitsplätze in Bangladesch bedeuten an 6 Tagen in der Woche 12 bis 14 Stunden hinter einer Nähmaschine zu sitzen, soziale Absicherung gibt es dabei nicht.  

Und dazu kommt noch die Ausbeutung der Natur: In einem Artikel im Spiegel ist über den „schwarzen Fluss Buriganga“ zu lesen: „Der Fluss ist tot … Es waren Billigstlöhne und ein riesenhafter Pool von Arbeitskräften, die Dhaka zu einem Gewinner der Globalisierung gemacht haben - und zu ihrem krassesten Verlierer. Denn mit dem vermeintlichen Fortschritt entstand ein frühindustrielles Abwasserinferno aus giftigem Sud, schillernder Brühe, Schmutz und Gestank, das den Buriganga zum Todesfluss machte.“ 

Die gute Nachricht ist, dass die Ideen um eine nachhaltige Entwicklung nicht von mir abhängen. Es sind nicht nur Menschen wie ich, die sich dafür einsetzen. Es ist eine Entscheidung, die wir als weltweite Gesellschaft getroffen haben. Ich spreche hier von den SDG’s, den Sustainable Development Goals der UNO. 

Eine Übersicht aller 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der UN

Auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2015 haben die 193 Mitgliedsstaaten, vertreten durch ihre Staats- und Regierungschefs, mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung erstmals global gültige Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals - SDGs) beschlossen. 

Nachfolgend nur ein paar Beispiele, welche Ziele mit den SDG’s im Jahr 2015 formuliert wurden: 

SDG 1 Keine Armut

1.1. Bis 2030 Beseitigung der extremen Armut für alle Menschen überall auf der Welt, die derzeit als Menschen gemessen wird, die von weniger als 1,25 Dollar pro Tag leben 

SDG 8 Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum

8.2 Erzielung einer höheren wirtschaftlichen Produktivität durch Diversifizierung, technologische Modernisierung und Innovation, auch durch Konzentration auf wertschöpfungsintensive und arbeitsintensive Sektoren  

8.3 Förderung einer entwicklungsorientierten Politik, die produktive Tätigkeiten, die Schaffung von menschenwürdigen Arbeitsplätzen, Unternehmertum, Kreativität und Innovation unterstützt und die Formalisierung und das Wachstum von Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen fördert, u.a. durch den Zugang zu Finanzdienstleistungen 

SDG 10 Weniger Ungleichheiten, Ungleichheiten zwischen Staaten verringern, Entwicklungsländer fördern

10.1 Bis 2030 schrittweise Erzielung und Aufrechterhaltung eines Einkommenszuwachses bei den unteren 40 % der Bevölkerung, der über dem nationalen Durchschnitt liegt 

SDG 12 Nachhaltiger Konsum und Produktion, Ressourcen nachhaltig nutzen,

12.A Unterstützung der Entwicklungsländer beim Ausbau ihrer wissenschaftlichen und technologischen Kapazitäten, um zu nachhaltigeren Verbrauchs- und Produktionsmustern überzugehen 

Wir haben uns eben nicht zum Ziel gesetzt, den Kapitalismus weiter zu fördern. Und darum denke ich, dass ich mit meinem Team nicht alleine bin und jedenfalls die richtigen Ziele verfolge. Und ich hoffe auch, dass es täglich mehr Menschen verstehen, dass es an jedem von uns liegt, die Ziele, die wir uns als Weltgemeinschaft gesetzt haben, umzusetzen. 

Für alle, die sich noch intensiver mit den SDG’s befassen wollen: https://unric.org/de/17ziele/ 

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Produktion in der Modebranche & soziale Verantwortung 

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