Produktion in der Modebranche & soziale Verantwortung 

Stell Dir vor, in der Herstellungskette Deines neuen Lieblingsshirts wurden Arbeitsschritte durch Zwangsarbeit verrichtet. Würdest Du das T-Shirt trotzdem kaufen? Die traurige Tatsache: In der Bekleidungsindustrie ist das immer noch Teil der Realität, und noch vieles mehr. 

Der folgende Artikel soll Dir helfen, einen Überblick über die Abläufe in der „modernen“ Herstellungskette der Modeindustrie zu gewinnen. 

Was sind Tiers und wo finden sie statt? 

Die Herstellung von Bekleidung ist seit vielen Jahren stark in Entwicklungsländer ausgelagert. Der Grund liegt auf der Hand. Dort kann billig produziert werden, und zwar in jeder Stufe, oder Ebene der Herstellung. Diese Ebenen werden Tiers genannt, aus dem englischen für Ebene. Die Textilindustrie ist klassisch in vier Tiers eingeteilt:
Faserproduktion
Begonnen wird mit der Rohmaterialgewinnung, also der Faserproduktion. Hier kommen entweder Natur- oder Kunstfasern zum Einsatz.  
Garnherstellung und Verwebung
In weiterer Folge werden diese Fasern zu Garnen versponnen und dann zu textilen Flächen (Geweben, Gestricken oder Gewirken) weiterverarbeitet.  
Konfektion
Zuletzt wird das Bekleidungsstück in der Konfektion geschnitten, genäht oder verklebt, gebügelt verpackt und ausgeliefert.  

Dazwischen gibt es noch in unterschiedlichen Stufen diverse Färbeprozesse, Ausrüstungsprozesse, Bedruckungen, Nachbearbeitungen und schließlich Transporte. Auch nach den Transporten kommt es noch oft zur weiteren Aufbereitung der Textilien, oft werden auch erst in den Zielländern Etiketten und Labels angebracht.  

Diese unterschiedlichen Herstellungsschritte werden in unserer Industrie mit wenigen Ausnahmen von ausgelagerten Unternehmungen durchgeführt. Mir ist kein einziger Hersteller bekannt, der alle Herstellungsstufen im eigenen Unternehmen organisiert hat. 

Die Problematik dabei ist die Kenntnis der Lieferkette. Nur wer seine Lieferkette tatsächlich kennt und beeinflusst, kann sich der Herstellungsbedingungen und Ressourcenverwendung zu 100% sicher sein. Die Realität sieht tatsächlich anders aus.  

Wo liegen die Probleme in der Landwirtschaft 

Baumwolle ist weltweit die am häufigsten eingesetzte Faser zur Herstellung von Bekleidung. Dabei ist die Herstellung in vielerlei Hinsicht problematisch.  

Zwangsarbeit ist bei der Herstellung von Baumwolle auch im 21 Jahrhundert noch traurige Realität. Während Praktiken der Zwangsrekrutierung in Usbekistan, einem der wichtigsten Herstellungsländer von Baumwolle, offensichtlich nach Boykottaufrufen internationaler Organisationen eingestellt wurden, ist die Situation für die Minderheit der Uiguren in China immer noch dramatisch. Mehr als eine halbe Million Menschen werden offensichtlich jährlich zur Zwangsarbeit auf den Baumwollfeldern verpflichtet, ob sie wollen oder nicht. Wie hoch der Anteil dieser durch Zwangsarbeit beeinflussten Herstellung an den internationalen Baumwollexporten Chinas tatsächlich ist, ist aufgrund der Intransparenz des innerchinesischen Handels nicht darstellbar. 

Eine weitere Problematik stellt der Pestizideinsatz auf Baumwollfeldern dar. Laut „Environmental Justice Foundation“ ist Baumwollanbau weltweit für 6% des Pestizideinsatzes und 16% des Insektizideinsatzes verantwortlich. Laut UNO sind weltweit jährlich rund 200.000 Todesfälle auf akute Vergiftungen durch Pestizide zurückzuführen. Nicht mitgerechnet sind Vergiftungen der nicht unmittelbar betroffenen Bevölkerung durch Schädigung der Nahrungskette. 

Eine weniger bekannte, aber sehr dramatische Auswirkung des Baumwollanbaus ist die hohe Suizidquote unter Baumwollbauern. Vor allem in Indien, einem der weltweit größten Anbaugebiete für Baumwolle ist die Gefahr durch private Kreditgeber zur Vorfinanzierung des Saatgutes bei Ernteausfällen in die Schuldenfalle getrieben zu werden hoch. Schätzung zur Folge hat es in Indien in den letzten 20 Jahren 300.000 Suizide unter Baumwollbauern gegeben.  

Ist Organic Cotton die Lösung? Auf jeden Fall ist biologischer Baumwollanbau eine gute Möglichkeit, die oben beschriebenen Probleme weltweit zu verbessern. Allerdings ist der Anteil biologisch angebauter Baumwolle immer noch sehr niedrig: Dem letzten „“Organic Cotton Market Report“ der Organisation „Textile Exchange“ ist zu entnehmen, dass dieser Anteil der Bio-Baumwolle am Weltmarkt bei 1,4% liegt. 98,6% der Baumwolle ist demnach nicht „bio“.  

Sind die nächsten Herstellungsschritte sauberer?  

Diese Frage muss leider ebenfalls eindeutig verneint werden. Vor allem der umfassende Chemikalieneinsatz bei der Weiterverarbeitung in der textilen Kette ist höchst problematisch und an vielen Stellen gesundheitsgefährdend. Bis zu 7.000 verschieden Chemikalien kommen bei Reinigungs- und Färbeprozessen, bei der Anbringung unterschiedlicher Ausrüstungen wie zum Beispiel Wasser- oder Schmutzabweisung, Weichmachern oder Ausrüstungen zur Hemmung der Bakterienbildung und des Pilzwachstums zum Einsatz. Die Folgen für uns Verbraucher sind weitläufig und gehen von Hautkrankheiten bis zu Krebs. Vergiftung von Gewässern durch Chemikalien in der textilen Herstellungskette sind in vielen Ländern der Welt traurige Realität. Das alles ist vor allem deshalb möglich, weil es keine Verpflichtung zur Kennzeichnung der zur Herstellung eines Bekleidungsstücks eingesetzten Chemikalien gibt. Es gibt zwar einige Verbote, wie zum Beispiel das Verbot des Einsatzes von nachweislich krebserregenden „AZO-Farbstoffen“ in Europa. Diese Verbote gelten aber nicht weltweit, und eine textiltechnische Überprüfung von Importware findet praktisch nicht statt.  

Und beim Nähen? Was passiert hier? 

Die Ausbeutung von Industriearbeitern in der Textil- und Bekleidungsindustrie hat eine lange Tradition. Schon im 19 Jahrhundert, zu einem Zeitpunkt als die Textil- und Bekleidungsproduktion noch in Europa stattgefunden hat, haben die Fabrikarbeiter in unserer Branche in Elend gelebt. 7 Tagewoche, 12- 14 Stunden Arbeitszeit waren auch in den Textilfabriken im niederösterreichischen Waldviertel zwischen 1850 und 1900 normal. Später wurden diese Fabriken geschlossen, die Herstellung wurde nach und nach verlagert. Mit der Auslagerung der Produktionsstätten hat die Industrie auch das Elend verlagert. 

In Myanmar, einem der „aufstrebenden“ Industrienationen in der Modebranche gelten Tageslöhne von 2,8 US Dollar als gute Bezahlung. Überstundenabgeltung gibt es nicht, Sozialversicherung auch nicht, dafür sind Arbeitstage mit 14 Stunden an 6 Tagen der Woche die Regel. Noch schlimmer wird es, wenn die Entlohnung nach produzierten Stücken abgerechnet wird. Der Preisdruck der internationalen Kunden wird so 1:1 an die Arbeiter weitergegeben. Um das Überleben der Familien sicherzustellen, müssen dann auch die Kinder mithelfen. In vielen Familien, dann nämlich, wenn die Eltern nicht mehr arbeitsfähig sind, sind es die Kinder, die das Geld zum Überleben verdienen. Der Ausbildungsstandard bleibt katastrophal, das Gesundheitswesen und die Technologieentwicklung sowieso.  

Und was ist die Lösung? 

Es gibt natürlich die Welt der Zertifikate: Weltweit agierende NGO‘s bemühen sich redlich, die Herstellungsbedingungen in vielen Ländern der Welt zu dokumentieren. Diese NGO’s verpflichten die Unternehmungen, die Zertifikate zur Darstellung ihrer oft ernst gemeinten Bemühungen führen wollen, zur Übernahme von Verantwortung. Eine nachhaltige Lösung der beschriebenen Problematik ist das nicht. Die Zertifikate der NGO’s betreffen immer nur Teilbereiche, nie die gesamten Herausforderungen der textilen Kette. Es fehlen international geltende gesetzliche Regularien. Dazu kommt noch der Wettbewerb unter den Zertifikaten. Und die Unsicherheit beim Konsumenten, auf welche Zertifikate man sich verlassen kann. Für den Konsumenten ist das aufgrund der Vielzahl an Zertifikaten nicht mehr durchschaubar. 

Eine lokal organisierte Supply Chain ist aus meiner Sicht die beste Lösung. Nur wer die Herstellungsbetriebe der gesamten Lieferkette über möglichst viele Tiers hinweg kennt und diese regelmäßig persönlich besucht, kann die Herausforderungen und Probleme der Herstellungskette besprechen, verstehen und lösen. Unternehmungen, die das gewährleisten können, können Ihren Kunden mit gutem Gewissen ihr Produkt verkaufen und eine faire Herstellung garantieren. Dabei geht es auch nicht darum, jedes Problem zu 100% gelöst zu haben, aber es geht darum, die Herausforderungen zu kennen und an der Lösung mit 100% Einsatz und Energie zu arbeiten. Diesen Weg halte ich für den einzigen richtigen. Diesen Weg gehen wir mit unserem Label BREDDY’S. 

Machen das nicht schon die meisten Labels?  

Es gibt keinen nachweisbaren Trend zurück zur lokalen Produktion. Derzeit ist die traurige Realität: Immer billigere Fast Fashion ketten überschwemmen die Märkte, Traditionsmarken sterben. Der während der COVID-19 Pandemie eingesetzte Trend zur Produktion in Europa ist beendet. Lediglich in der Türkei boomt die Branche noch, allerdings unter sehr unterschiedlichen und teilweise auch sehr zweifelhaften Bedingungen. Es herrscht eine starke Trendumkehr. Die erfolgreichsten Produktionsstätten sind wieder in Asien – und neuerdings in Afrika. Dort investieren Investoren aus Asien in noch billigere Fabriken.  

Das Elend wird in einen weiteren Kontinent verschoben.  

 
Quellen: 

https://sustainfashion.info/de/die-schmutzigste-pflanze-der-welt-pestizideinsatz-im-baumwollanbau/ 

https://www.derstandard.at/story/2000047182616/wenn-indiens-bauern-in-den-suizid-getrieben-werden 

https://www.textilbuendnis.com/ocmr2022/ 

https://www.zentrum-der-gesundheit.de/bibliothek/umwelt/schaedliche-faktoren/textilien-giftstoffe 

https://www.focus.de/finanzen/news/schlaege-und-schwangerschaftstests-schuften-im-tropenparadies-wie-brutal-aldi-lidl-und-adidas-in-myanmar-naehen-lassen_id_10418332.html 

https://www.fairlyfab.com/de-DE/magazin/arbeitsbedingungen-textilindustrie 

https://www.fairlyfab.com/de-DE/magazin/menschenrechte-textilindustrie 

https://www.fairwear.org/brands 

https://www.zentrum-der-gesundheit.de/bibliothek/umwelt/schaedliche-faktoren/textilien-giftstoffe 


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